„Schule der Vielfalt“ – was ist das?

Im Interview: Herr Wolf und Toni

Die Vielfalt und Inklusion von LGBTIQ+ (Lesbian, Gay, Bi, Transgender, Intersex und Queer) spielt eine immer größere Rolle, nicht nur in unserer Gesellschaft, sondern auch an unserer Schule. So wurde in einer vergangenen Schulkonferenz beschlossen, dass unsere Schule eine „Schule der Vielfalt“ werden soll, also ein offizielles Label für ihre umfassende Diversität bekommt.

Aber was genau bedeutet das und was bringt dieses Label für die Zukunft? Wie geht unsere Schule momentan mit dem Thema um? Diese Fragen stellten wir auch Herrn Wolf und Toni. Herr Wolf hat sich bereits mit 14 Jahren als schwul geoutet und ist heute mit seinem Mann verheiratet. Er unterhält sich mit vielen Schülerinnen und Schülern über das Thema, um sie zu sensibilisieren und steht für sämtliche Fragen und Gespräche rund um das Thema zur Verfügung. Mittlerweile ist er „Beauftragter für Diversität mit Schwerpunkt LGBTIQ+“ der Inselschule. Toni ist 16, Transmann und lebt in einer Beziehung mit einem anderen Transmann bzw. einer nicht-binären Person, ist also ebenfalls schwul. Ab nächstem Schuljahr geht er in die zwölfte Klasse und ist wie Herr Wolf offen für Fragen und gesprächsbereit, sollte einmal der Bedarf bestehen.

Was macht eine Schule zu einer „Schule der Vielfalt“?

Schule der Vielfalt ist eine bundesweite Auszeichnung, die an Schulen vergeben wird, die bestimmte Anforderungen erfüllen, wie z.B. das Stellen eines LGBTIQ+-Beauftragten. Als dieser kümmert sich Herr Wolf u.a. um die Veranstaltung von Seminaren und Fortbildungen und ist Ansprechpartner für Schülerinnen und Schüler, egal ob selbst betroffen oder im Umfeld von Betroffenen. Die Fortbildungen für Lehrkräfte und Seminare für Schulklassen sollen mithilfe von verschiedenen Projekten gemeinsam mit Beteiligten über das sehr große und nicht immer einfache Thema aufklären.

Welchen Vorteil bringt ein solches Label mit sich?

In unserer Schule herrscht bereits ein gutes Klima, es besteht aber noch Potenzial. Meist hört das teilweise noch raue Klima unter den Schülerinnen und Schülern gemeinsam mit der Unwissenheit und Unsicherheit auf. Das Label gibt den betroffenen Schülerinnen und Schülern ein Gefühl der Sicherheit, da sie erkennen können, dass es auch andere mit ähnlichen Sorgen und Problemen gibt und sie mit ihrer Unsicherheit nicht alleine sind.

Wie ist es, sich selbst zu outen und ist das überhaupt notwendig?

Generell lässt sich sagen, dass die Entscheidung sich zu outen, also seine Orientierung oder Identität bekannt zu geben, jeder und jedem selbst überlassen ist und auch zusteht. Jede bzw. jeder pflegt mit ihren oder seinen Gefühlen und Eindrücken einen anderen Umgang; häufig besteht die Angst nicht akzeptiert zu werden. Einige erzählen ihre Situation beiläufig im Unterricht und sind das Thema betreffend sehr viel offener. Die meisten Personen aus dem Umfeld nehmen das Outing zur Kenntnis, wobei sich der Umgang kaum verändert. Ein „Coming-out“, also die Bekanntgabe, kann befreiend sein, da evtl. Klarheit geschaffen wird, Gerüchte beendet und das Gefühl der Verstellung und Versteckens aufhört. Es macht allerdings einen Unterschied, ob man seine Orientierung oder seine Identität preisgibt, da es dem Umfeld häufig leichter fällt, eine andere Orientierung als die eigene zu akzeptieren, bei einer anderen Identität ist dies manchmal anders. Es besteht aber gar nicht immer die Notwendigkeit eines Coming-outs, z.B. da die betroffene Person mit dem aktuellen Zustand zufrieden ist. Letztendlich muss jede und jeder für sich selbst entscheiden, ob man sich outet oder nicht, niemand ist dazu gezwungen.

Wer ist Ansprechpartner bei Unsicherheit oder Fragen?

Neben Herrn Wolf (auch per Mail) und Toni stehen auch andere Personen für Gespräche zur Verfügung. Eine gute Anlaufstelle sind vor allem die Schulsozialarbeit oder die Vertrauenslehrkräfte. Ebenso kann man sich natürlich an die Klassenlehrkräfte oder gute Freundinnen und Freunde wenden, mit denen man sich sowieso über alles unterhält; diese haben meist ein gutes Gefühl für die Situation der Betroffenen Personen.

Wie sieht die Zukunft der Schule Ihrer/Deiner Meinung nach aus?

Die Dinge brauchen Zeit. Alle Personen sollen so respektiert werden, wie sie sind. Identifiziert sich z.B. ein Mädchen als Junge, dann ist das so – und? Dieser Person ist ebenso mit Respekt zu begegnen, wie alle anderen auch. Für die Betroffenen kann es hilfreich sein, wenn die Akzeptanz klar vermittelt wird, z.B. können Mitschülerinnen, Mitschüler und Lehrkräfte beim Outing zu einer anderen Identität nach den Pronomen fragen, da diese nicht zwangsläufig mit dem biologischen Geschlecht oder Namen übereinstimmen müssen. Auch ernstgemeinte Zusprüche und Bestärkung nach dem Coming-out können sehr viel bewirken.

Jede und jeder fühlt anders.